Die Stiftung wurde durch Frau Prof. Dr. Annemarie Brigitte Schimmel, verstorben am 26. Januar 2003 in Bonn, errichtet. Die Stiftungsaufsicht wird durch die Bezirksregierung Köln ausgeübt, die die Stiftung am 6. Juli 2004 als rechtsfähig anerkannt hat. Mit der Verwaltung der Stiftung ist die Commerzbank AG, Nachlass- und Stiftungsmanagement, 60301 Frankfurt am Main, betraut.
Stiftungszweck ist die Förderung der Islamwissenschaft. Der Stiftungszweck wird insbesondere verwirklicht durch:
• Die Verleihung des „Annemarie Schimmel-Preises für Islamkunde, Annemarie Schimmel-Prize for Islamic Studies“.
• Die finanzielle Förderung von Gastvorlesungen ausländischer Dozenten.
• Einmalige oder laufende finanzielle Zuwendungen an Personen oder Personengruppen für Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Stiftungszweckes. Diese Zuwendungen sollen insbesondere als Bezuschussung von Sachaufwendungen (Arbeitsmaterial, technische Ausrüstung, wissenschaftliche Literatur, Schreib- und Druckkosten etc.) für Arbeiten erfolgen, die geeignet sind, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.
Der Stiftungszweck soll in erster Linie am Orientalischen Seminar der Rheinischen Frieddrich-Wilhelms-Universität Bonn erfüllt werden.
Einziges Organ der Stiftung ist der dreiköpfige Vorstand. Vorstandsmitglieder sind der amtierende Direktor des Orientalischen Seminars der Universität Bonn, das für die Islamwissenschaft zuständige amtierende Vorstandsmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und ein von der Commerzbank ernanntes Mitglied.
Bei Fragen zur Stiftung wenden Sie sich bitte an:
Herrn Prof. Dr. Stephan Conermann Email: stephan.conermann(at)uni-bonn.de
Prof. Dr Regula Forster Email: regula.forster(at)uni-tuebingen.de
Das Spendenkonto lautet:
IBAN: DE17 5008 0000 0101 8668 00
BIC: DRESDEFFXXX
Nähere Auskünfte zur Spendenabwicklung erhalten Sie bei:
Frau Petra Ostermann,
Commerzbank AG in Frankfurt Tel. 069/136-83898
Der schriftliche Nachlass von Frau Prof. Dr. Annemarie Schimmel wird in der Universitätsbibliothek Basel aufbewahrt. Bei Fragen hierzu wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Gudrun Schubert (schubert@schubert-durand-stiftung.de)
Preisträger 2022
Preisträger 2019
Preisträger 2017
Preisträgerin 2015
Preisträger 2013
Sonja Brentjes, „Teaching and Learning the Sciences in Islamicate Societies (800–1700)“
Sonja Brentjes gelingt es in ihrem beeindruckenden Buch, Wissenschaftsgeschichte in einen weiteren kulturell-historischen Kontext zu stellen. Mit einem Fokus speziell auf die mathematischen Wissenschaften zeigt sie, welchen Stellenwert die Wissenschaften in vormodernen islamischen Gesellschaften hatten, wie sie unterrichtet und tradiert wurden. Das Werk ist ein Meilenstein, um die Praxis und den sozio-kulturellen Kontext der Wissenschaften und die Entstehung von Wissensgesellschaften zu verstehen.
Cem Kara, „Grenzen überschreitende Derwische. Kulturbeziehungen des Bektaschi-Ordens 1826–1925“
Cem Kara bietet in seiner beeindruckenden Arbeit eine differenzierte neue Geschichte des Sufiordens der Bektaschiya und ihrer vielfältigen geographischen und kulturellen Verknüpfungen. Er liefert so einen wichtigen Beitrag zur Verflechtungsgeschichte. Basierend auf Archivmaterialien etwa aus der Türkei, Albanien und den USA zeichnet er Prozesse der Islamisierung, Abgrenzung von nichtmuslimischen Religionen sowie der Alevi-Bektaschisierung im Rahmen eines türkischen Nationalismus nach und diskutiert, wie die Bektaschis zur Projektionsfläche in westlicher Orientalistik, bei Missionaren, aber auch bei neuen religiösen Bewegungen werden. Dabei benennt er klar die Grenzen seines Quellenmaterials und zeigt die Unterschiede zwischen Geschichte und Geschichtsnarrativen auf, diskutiert Imaginationen, Transfer und Adaption von Denkmustern und führt ein in Kontakträume und ihre Wirkungen auf die Akteure.
In Würdigung seiner hervorragenden Forschungsarbeit „Weltgeschichtsschreibung zwischen Schia und Sunna. Ḫvāndamīrs (gest. 1535/6) Ḥabīb as-siyar und seine Rezeption im Handschriftenzeitalter“ verleiht die Annemarie-Schimmel-Stiftung für Islamkunde ihren Forschungspreis im Jahre 2019 an Dr. Philip Bockholt.
Philip Bockholt hat anhand von ca. 600 Handschriften Entstehung und Rezeption eines zentralen Werks der frühneuzeitlichen persischen Historiographie innerhalb seines politischen Kontextes rekonstruiert. Er konnte aufzeigen, dass es drei unterschiedliche Redaktionen dieses Werks gab, die der Autor für unterschiedliche Auftraggeber, den Safawidenschah Ismāʿīl und danach den Mogul-herrscher Bābur, verfasste. Zwei Redaktionen haben eine schiitische Ausrichtung, die letzte für Bābur eine sunnitische Ausrichtung. Anhand einer tiefgehenden Textanalyse zeigt Bockholt, dass der Umschreibungsprozess vor allem die Frühgeschichte des Islams betraf und sogar die Verwendung von Lobformeln einschloss. Die Arbeit zeigt auf, wie sich der Autor mit den beiden Redaktionen seiner Weltgeschichte jeweils in das religionspolitische Programm der beiden konfessionell unterschiedlich orientierten Herrscher einschrieb und wie die späteren Leser dieses einflussreichen Werks mit den verschiedenen Redaktionen umgegangen sind. Die Arbeit setzt mit ihren textgeschichtlichen Analysen neue Maßstäbe in methodischer Hinsicht und stellt eine enorme Rechercheleistung dar. Mit ihrer Sichtbarmachung der politischen Indienstnahme von Historiographie im persophonen Raum der Frühen Neuzeit zeigt sie das kritische Potential textanalytischer Arbeit auf und bildet ein Glanzstück islamwissenschaftlicher Forschung.
Dr. Simon Wolfgang Fuchs „Relocating the Centers of Shīʿī Islam: Religious Authority, Sectarianism, and the Limits of the Transnational in Colonial India and Pakistan“
Simon Wolfgang Fuchs hat in seiner Dissertation in vorzüglicher Weise die Geschichte des religiös-politischen Denkens der Zwölfer-Schia in Südasien von der späten Kolonialzeit bis heute aufgearbeitet. Gestützt auf eine Vielfalt lokaler, großenteils nur schwer zugänglicher Quellen in Arabisch, Persisch und Urdu sowie auf direkte Kontakte und Interviews mit führenden schiitischen Gelehrten, hat er den Verlauf der innerschiitischen Debatten in Britisch-Indien und Pakistan zu Staat, Gesellschaft und religiöser Führung nachgezeichnet und ihre Verflechtung mit den politischen und ideologischen Entwicklungen in Südasien sowie bei den Schiiten im Irak und in Iran aufgezeigt. Seine Arbeit macht zum ersten Mal sichtbar, in welcher Weise sich die Gründung Pakistans 1947 und die Iranische Revolution von 1979 auf das religiös-politische Denken und die Autoritäts- und Organisationsstrukturen der Zwölfer-Schiiten Südasiens ausgewirkt haben. Gleichzeitig zeigt sie, wie lokale südasiatische Gelehrte als kreative Vermittler, Übersetzer und selbstbewusste Pioniere modernen islamischen Denkens aktiv geworden sind. Fuchs hat mit seiner Arbeit die Erforschung des südasiatischen Islams um entscheidende Schritte vorangebracht.
Dr. Boris Liebrenz „Die Rifā῾īya aus Damaskus. Eine Privatbibliothek in osmanischer Zeit und ihr kulturelles Umfeld“
Ausgehend von einer intensiven kodikologischen Analyse der Handschriften der Damaszener Privatbibliothek Rifāʿīya, die heute in der Universitätsbibliothek in Leipzig aufbewahrt wird, liefert Boris Liebrenz in seiner Arbeit eine umfassende und dichte Beschreibung der osmanisch-syrischen Buch- und Bibliothekskultur der frühen Neuzeit. Die Arbeit beeindruckt durch die Vielfalt und Innovativität ihrer methodischer Zugänge und zeigt wegweisend auf, in welch ergiebiger Weise sich die von Käufern, Besitzern, Lesern, Stiftern etc. in Handschriften anbrachten Vermerke nutzen lassen, um ein authentisches Bild der frühneuzeitlichen Bibliotheks-, Buch- und Lesegeschichte einer arabischen Metropole im Osmanischen Reich zu gewinnen. Dazu wurden die mehr als tausend Manuskriptvermerke in der Rifāʿīya mit weiteren dokumentarischen Quellen aus der Region sowie mit literarischen Quellen erhellend in Beziehung gesetzt. Mit seinen höchst informativen Ausführungen über Buchmarkt, Leserschaft und Bibliothekslandschaft von Damaskus, die auch die rechtlichen, materiellen, ökonomischen und sozialen Aspekte von Buchproduktion, Bucherwerb und Bücherstiftung im osmanischen Syrien einschließt, beleuchtet die Arbeit in mustergültiger Form ein wichtiges Kapitel nahöstlicher Bildungsgeschichte.
Britta Fredes Dissertation „Die Erneuerung der Tiǧānīya in Mauretanien. Popularisierung religiöser Ideen in der Kolonialzeit“ ist eine Pionierarbeit, die historisch und systematisch in ein religiöses und soziales Milieu einführt, über das bisher kaum wissenschaftliche Studien vorliegen. Sie verbindet eine vorzügliche Kenntnis der sozialene und politischen Verhältnisse in Mauretanien mit einer sehr sensiblen Annäherung an die religiösen Vorstellungen und Praktiken einer sufischen Bruderschaft, die weit über Westafrika hinaus Bedeutung gewonnen hat. Frede macht die religiöse Erfahrungs- und Bildungsdimension der sufischen Massenbewegung in Nord- und Westafrika im 20. Jahrhundert in ihrem Erweckungscharakter in sehr anschaulicher Weise deutlich. Ihr souveräner Umgang mit der Vielfalt der von ihr ausgewerteten Quellen, die gelungene Verbindung von sozialwissenschaftlichen und historisch-kritischen Ansätzen sowie die hervorragende visuelle Aufbereitung des erhobenen Materials verdienen großes Lob. Die Arbeit vermittelt zahlreiche Erkenntnisse, die für die Islamwissenschaft von großer Bedeutung sind.
Dr. Jasmin Khosravie "Zabān-i Zanān – Die Stimme der Frauen. Leben und Werk von Ṣadīqa Daulatābādī (1882-1961)“
Frau Jasmin Khosravie hat mit ihrer Dissertation über Leben und Werk von Ṣadīqa Daulatābādī eine exzellente Studie zu einer Schlüsselfigur in der Geschichte der iranischen Frauenbewegung vorgelegt. Es ist ihr auf beeindruckende Weise gelungen, die Heterogenität der weiblichen Lebenswelten im kadscharenzeitlichen Iran herauszuarbeiten und den persönlichen Hintergrund der Protagonistin auszuleuchten, deren Familie mit der religiös dissidenten Azalī-Bābī-Bewegung verbunden war. Ihre Darstellung bietet hervorragend recherchierte Tableaus einer Gesellschaft im Wandel und zeichnet sich durch ein hohes sprachliches Niveau und eine solide methodische Grundlage aus. Mit ihrer Studie hat sie die Forschung zur Geschichte der Geschlechterverhältnisse in Iran in substantieller Weise vorangebracht und Erkenntnisse zu Tage gefördert, die für die Islamwissenschaft und die angrenzenden Fächer von großer Relevanz sind.
Jan Thieles Dissertation über den jemenitischen Theologen al-Ḥasan ar-Raṣṣāṣ und seine einflussreiche Kausal- und Attributenlehre in der Tradition Abū Hāšims stellt einen Meilenstein in der Erforschung sowohl der Zaidīya als auch des muʿtazilitischen Denkens dar. Die Arbeit überzeugt sowohl durch ihre sorgfältige methodische Heransgehensweise als auch durch ihre argumentative Prägnanz und Fähigkeit zur Abstraktion. Der komplexe Zusammenhang von Essenzen, Substanzen, Attributen und Akzidenzien im Denken des jemenitischen Theologen wird differenziert erfasst, die theologischen und problemgeschichtlichen Zusammenhänge werden sehr gründlich und transparent dargestellt. Mit ihrer präzisen inhaltlichen, philologischen und sprachlichen Erschließung einer großen Zahl neuer und bisher nur schwer zugänglicher Quellen stellt die Forschungs-arbeit von Herrn Thiele eine große Bereicherung für die Islamwissenschaft dar.